Zwischen musique concrète und intermedialer Erfahrung

Zu den Klangarbeiten von Hans Peter Kuhn

Anders als die Bildende Kunst sah sich die Musik kaum je mit der Frage nach der Wahrheit konfrontiert. Stehen gegenständliche Bilder und Skulpturen im Spannungsverhältnis zu der von ihnen repräsentierten Wirklichkeit, so ist Musik stets künstlich und ohne Widerpart in der alltäglichen Welt. Eine Ausnahme bilden allein solche Musikwerke, die lautmalerisch Naturklänge wie Donnergrollen, Meeresrauschen oder den Gesang der Vögel nachzuahmen suchen. Literarische Programme, die für manche Instrumentalstücke dem Hörer eine narrative Deutung nahe legen, bleiben ebenso wage wie die Gefühlszustände, die sich in einer Musik ausgedrückt finden mögen. Die Kategorie des musikalischen Ausdrucks – eine Erfindung der Renaissance, die sich von dem Begriff der ars musica als einer der Mathematik verwandten Kunst löste – basiert auf der Vorstellung, dass in der Musik etwas Außermusikalisches, ein Stimmungsverlauf oder eine Handlung, mitgeteilt werde. Diese "Gegenstände" der Musik sind jedoch allgemeiner und weniger konkret als die der Malerei. Darüber hinaus lässt sich fragen, ob ihnen außerhalb der Musik überhaupt ein Sein zukommt oder ob sie nicht allein als Eigenschaften der jeweiligen Komposition existieren. Ein langsamer Satz wäre dann an sich selbst traurig, ohne von einer Traurigkeit in der alltäglichen Welt zu handeln. Auf jedem Fall lassen sich diese "Inhalte" der Musik nicht auf ihre Wahrheit hin überprüfen wie dies etwa bei der Radierung einer Stadtansicht möglich ist.

Mit der Entwicklung der akustischen Speicher- und Übertragungsmedien im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts änderte sich die Situation grundlegend. Auch wenn man diese Medien erst in den 1940er Jahren für die Musik nutzbar machte, ermöglichten sie doch von der Zeit ihrer Erfindung an die Repräsentation von Klangereignissen in einer Unmittelbarkeit, die – in Bezug auf visuelle Eindrücke – bis dahin allein den Bildern (und der Fotografie) vorbehalten gewesen war. "Naturgemäß erregten die [ersten] Telefonversuche, und zwar sowohl die gegenseitigen Gespräche als auch die Vorführungen [=Übertragungen] aus den Theatern [...], das größte Erstaunen und manches heute kaum mehr verständliche Missverständnis" schrieb 1932 Oskar von Miller in seinen Erinnerungen an die Internationale Elektrizitätsausstellung im Glaspalast zu München im Jahre 1882. "Als beispielsweise der damalige Prinz Luitpold die Übertragung aus dem Kolosseum und die sogenannte 'Schwäbische Nachtigall' am Telefon hören sollte, weigerte sich diese zunächst, vor dem Prinzen zu singen, weil sie ja im Nachtkostüm sei und in diesem Zustand doch nicht vor einem königlichen Prinzen auftreten könne."(1)

Mediengeschichtlich betrachtet scheint die Ton- und Bildübertragung über räumliche, und bei entsprechenden Speichermedien auch über zeitliche Distanz hinweg jene Unmittelbarkeit von Ereignis und Rezipient zu ermöglichen, die mit der Verwendung von Sprache und Schrift verloren war. Der Ton, der aus dem Telefon dringt, wirkt qua seiner Materialität authentisch. Jedem sprachlichen Bericht von dem gleichen Ereignis geht hingegen eine begriffliche Reflexion voraus, die Bote wie Empfänger von dem Geschehen entfernt. Platon wies darüber hinaus auf die Probleme hin, die sich aus der schriftlichen Fixierung der Sprache ergeben.(2) Nur in der akustischen Tonaufnahme oder der visuellen Fotografie reden die Dinge selbst und sind gleichermaßen Autor wie Gegenstand der Nachricht.

So jedenfalls scheint es. Tatsächlich aber bedürfen sie auch hier eines Mittlers und erfahren eine charakteristische medienspezifische Metamorphose. Bei der Aufzeichnung oder Übertragung einer Musikaufführung obliegt es dem Tonmeister, die akustische Repräsentation so zu gestalten, dass der gewünschte Eindruck von Unmittelbarkeit entsteht – die alte Berufsbezeichnung "Abhörkapellmeister"(3) betont diesen Aspekt absichtsvoller Veränderung des Hörbildes. Ebenso werden die Geräusche im Tonfilm bewusst gestaltet und nur verhältnismäßig selten Original-Töne verwendet. Die selektive Wahrnehmung eines Gesprächs im Stimmengewirr eines Cafès etwa unterstützt die künstliche Gestaltung der Tonspur. Entsprechendes gilt für die Umsetzung der gleichen Szene in einem Hörspiel, in dem Typus und Charakter des Ortes allein durch die akustische Atmosphäre mitgeteilt werden können.

Die Unmittelbarkeit von Rezipient und Ereignis in Tonaufnahme und Fotografie erweist sich also bei näherer Betrachtung als Fiktion, sie ist nicht Eigenschaft der Medien sondern Gegenstand absichtsvoller Inszenierung. Darauf, dass diese Wirkung historischem Wandel unterliegt, hat Walter Benjamin 1936 im Zusammenhang mit der technischen Reproduzierbarkeit der Kunst hingewiesen: "Innerhalb großer geschichtlicher Zeiträume verändert sich mit der gesamten Daseinsweise der menschlichen Kollektive auch die Art und Weise ihrer Sinneswahrnehmung. Die Art und Weise, in der die menschliche Sinneswahrnehmung sich organisiert – das Medium in dem sie erfolgt – ist nicht nur natürlich sondern auch geschichtlich bedingt."(4) Mit zunehmendem Bewusstsein für die Ubiquität digitaler Manipulationsmöglichkeiten gerade in den vorgeblich dokumentatorischen Medien dürfte die Wahrnehmung technisch vermittelter Ereignisse sich vor allem im Hinblick auf ihren Wahrheitsanspruch ändern.



Hans Peter Kuhn gehört einer Künstlergeneration an, der die akustischen Speicher- und Übertragungsmedien stets selbstverständlich zur Verfügung standen. Seine ersten musikalischen Aktivitäten in einer Rockband waren ohne die Mittel elektrischer Verstärkung ebenso wenig denkbar wie seine spätere Arbeit als Tonmeister an der Berliner Schaubühne (1975-1979). Der atmosphärische und konnotative Gebrauch von – technisch gespeicherten – Geräuschen am Theater wurden zum Ausgangspunkt von Kuhns eigenständiger künstlerischen Arbeit als Komponist und Klangkünstler. Denn abgesehen von den zwei Musiktheatern nach Texten von Gertrude Stein, Dr. Faustus Lights the Lights (1992) und dem "An Operetta" unterschriebenen Saints And Singing (1997), die sich mit ihrem scherzhaft ironischen Unterhaltungscharakter nicht so recht in sein übriges Œuvre fügen, hat Hans Peter Kuhn kaum je gewöhnliche Musikinstrumente verwendet. Sein akustisches Material sind stattdessen Aufnahmen konkreter Klänge, von Natur- und Alltagsgeräuschen, von regionalen Soundscapes, akustischen Signalen und individuell erzeugten Geräuschen wie Papierrascheln. In Kuhns Archiv finden sich einige Tausend solcher Klangschnipsel, und mit jedem neuen Stück werden es mehr. Synthetisch erzeugte Klänge bilden dabei die Ausnahme. Dies zeugt nicht von einer Abneigung gegen die Arbeit im Elektronischen Studio, werden doch während des Kompositionsprozesses die Ausgangsklänge zumeist elektronischer Bearbeitung unterzogen. Es handelt sich vielmehr um Kuhns Entscheidung für eine musique concrète, die sich primär in der realen Welt vorhandener Klänge bedient, wohl in Anerkennung des Postulats deren Begründers und ersten Theoretikers Pierre Schaeffer (1910-1995), die "realen akustischen Quellen, für die unser Ohr weitgehend geschaffen ist", zu bevorzugen.(5) Kuhns Vorliebe für Klänge von komplexer Struktur und sprödem Charakter mag in den siebziger Jahren die Hinwendung zur musique concrète mitbegründet haben.

In seinen Installationen und Performances sowie den Musikstücken und Environments für Tanz und Theater entfaltet Hans Peter Kuhn einen ganzen Kosmos konkreter Klänge, die – stets nach musikalischen Kriterien organisiert – in unterschiedlichen Graden außermusikalische Wirklichkeit repräsentieren. Pierre Schaeffer unterscheidet in seiner Theorie der musique concrète zwischen dem Klangkörper (corps sonore), der mit den physikalischen Eigenschaften des Klanges auf seine Erzeugung verweist, und dem Klangobjekt (objet sonore), das im sogenannten "reduzierten" Hören als rein musikalische Entität erscheint. Zielpunkt der musique concrète ist die Komposition mit Klangobjekten,(6) und auch Hans Peter Kuhn betont sein Interesse an den rein klanglichen Aspekten des akustischen Materials vor dessen Zeichenfunktion mit ihren narrativen Implikationen.

Dabei ist der Weg vom Klangkörper, der den Klang als Indiz seiner Erzeugung erfasst, hin zum abstrakt strukturellen Klangobjekt eine Herausforderung an Hörer wie Komponist. Fragt man Probanden, denen man Tonaufnahmen von Alltagsgeräuschen vorgespielt hat, was sie gerade gehört hätten, antworten sie in der Regel nicht mit einer Beschreibung des Klanges, sondern benennen zu 95% das Ereignis, von dem sie vermuten, dass es den jeweiligen Klang erzeugte.(7) Der gespeicherte oder übertragene Klang wird also zunächst gar nicht als er selbst gehört, sondern – ganz wie ein sprachlicher Bericht – als Zeichen für ein Ereignis oder eine Situation. Jeder akustische Reiz ist demnach schon diesseits des intendierten Meinens regelrecht umhüllt von Bedeutungen. Noch ehe er als Musik oder Mitteilung semantische Funktionen erfüllt, zeigt er Weise und Ort seiner Entstehung an. Ein Geigenton setzt einen Geigenspieler voraus, ein langer Nachhall lässt vermuten, dass der Musiker in einer Kirche spielt. Erst der künstlerische Kontext seines Erscheinens vermag den Klang aus diesen narrativen Verweisungszusammenhängen zu lösen und als Klangobjekt von seinen Konnotationen zu befreien. Hans Peter Kuhn gelingt dies auf dreierlei Weise: mit der technischen Veränderung des Klanges, seiner Musikalisierung und der "unmöglichen", anti-narrativen Präsentation.

Charakteristisch für einen wiedererkennbaren Klang ist nicht nur sein Frequenzspektrum, also seine Obertonstruktur, sondern auch seine Entfaltung in der Zeit. Ein Klavierton beispielsweise hat einen kürzeren Einschwingvorgang als der Ton einer Bassklarinette. Schneidet man im Studio diesen Einschwingvorgang ab und spielt den Klang nur vom Erreichen seiner maximalen Amplitude an, ist es viel schwieriger, wenn nicht unmöglich, das jeweilige Instrument zu erkennen. Ebenso führt ein veränderter, zum Beispiel künstlich verlängerter Ausschwingvorgang zu akustischer Irritation. Neben diesen Verfahren dienen Hans Peter Kuhn Ausschnittbildung, zeitliches Dehnen und extreme Verstärkung der behutsamen Distanzierung von seinem ursprünglich narrativen Ausgangsmaterial. "Kleine Klänge" erscheinen in der Tradition von John Cages "small sounds" wie unter einer akustischen Lupe und entfalten zuvor ungeahnte Eigenschaften.

Die Musikalisierung der Klänge betrifft deren zeitliche Organisation und Verbindung nach Kriterien wie Ähnlichkeit oder Kontrast, Entwicklung oder Reihung musikalischer Einheiten b.z.w. Parameter (Klang, Lautstärke, Dichte und so fort). In dem Tanzstück Completely Birdland, 1991 entstanden für eine Choreographie von Laurie Both, etabliert Hans Peter Kuhn eine Bandschleife aus Atem‑, Stimm- und Mundgeräuschen, die sich im Laufe von gut 25 Minuten mit anderen konkreten Klängen wie Hundebellen, Telefon- oder Radiostimmen, schließlich Summen, Pfeifen, Rauschen, Telefonklingeln und einem kurzen Cello-Motiv zunehmend überlagern. Je mehr das musikalische Gefüge an Dichte gewinnt, desto weniger erscheinen die Einzelklänge als Indiz ihrer Entstehung, vielmehr als Position im Geflecht musikalischer Beziehungen. Hinzu kommt die Verschiebung der Aufmerksamkeit des Hörers von der Bedeutung des Klanges auf seine Struktur bei häufiger Wiederholung. Wie in Texten Gertrude Steins Wörter bald nur noch als Sprachklänge wahrgenommen werden, verliert das wiederholte Telefonklingeln seine narrative Signalwirkung und wandelt sich zum metallisch insistierenden Klang bestimmter Frequenz und Dauer.

Ebenso wirkt die Wiedergabe konkreter Klänge in von langen Pausen durchsetzten Strukturen als Musikalisierung. In der Installation Noch ohne Titel (1999) bewegen sich an Perkussionsklänge erinnernde Geräusche auf einer weit über dem Besucher aufgehängten langen Reihe von Lautsprechern hin und her. Die einzelnen Bewegungsverläufe sind durch Pausen von mehreren Sekunden Dauer von einander getrennt. Diese zeitliche Isolation der Einzelereignisse entspricht nicht nur der oben beschriebenen "Vergrößerung" der internen Struktur von Klängen auf der Makro-Ebene, sie betont auch die der Musik eigene Künstlichkeit des Gehörten. Abrupte Schnitte von Alltagsgeräuschen leugnen in der Installation Ballet (1996) nicht deren Herkunft, sie zwingen sie aber in ein von musikalischem Kalkül determinierten Dauerngefüge und durchkreuzen immer wieder den Assoziationsfluss des Hörers.

Die anti-narrative Präsentation konkreter Klänge schließlich ist das dritte Verfahren Kuhns, außermusikalischer Repräsentation zu entgehen. Der Komponist setzt Klänge oft in ein "unmögliches" Lautstärkenverhältnis, in dem etwa ein sachtes Zungenschmatzen lauter als ein markant gespieltes Cello erscheint (Completely Birdland). Oder er lässt Tonaufnahmen von industriellen Maschinen sich mit in der Realität unmöglicher Geschwindigkeit im Raum bewegen (der blaue Raum von Tricolor, 1998). In Kreislauf (1997) findet sich der Ausstellungsbesucher von 16 auf weißen Stelen kreisförmig angeordneten Lautsprechern umgeben, aus denen neben einem statischen Ton wechselnde leise Klänge dringen, die in hohem Tempo den Hörer umrunden. Solcherlei Bewegungen machen es unmöglich, einen in der Installation nur repräsentierten Klangraum zu imaginieren. Zu sehr steht das Gehörte im Widerspruch zu den akustischen Erfahrungen des Hörers. Offensichtlich wird hier ein eigentlich unmöglicher, rein virtueller Klangraum geschaffen, der sich ob seiner Künstlichkeit der auf narrative Strukturen gerichteten Rezeption verschließt.



Hans Peter Kuhn ist ein originär intermedial arbeitender Künstler, der die musique concrète stets überschreitet hin zu den Bühnenkünsten Theater und Tanz einerseits und der raumgreifenden Installations-Kunst andererseits. Den musikalischen Verweisungszusammenhängen treten ihm dabei nicht einfach weitere hinzu, sondern Kuhn entwickelt seine Arbeiten gerade für diese vieldimensionale Koexistenz mehrerer gleichberechtigter "Weisen der Anschauung" (Kant). Multisensorische Wahrnehmung wird intermedial, wo die Anmutungen verschiedener Sinne in absichtsvollem Ergänzungs-Zusammenhang jenseits bloß illustrierende Verdopplung stehen. Diese Verdopplung liegt bei Kuhn selbst im in dieser Hinsicht einfachsten Fall einer Installation nicht vor, bei der skulpturales und akustisches Material identisch sind. Fassungslos (1988) und Twins (1998) verbinden beide Aufschüttungen von Bruchglas mit Geräuschen brechenden und splitternden Glases. Das in der Installation sichtbar aufgehäufte Glas bleibt hier stumm, es regt sich nicht, bleibt unbeweglich wie aus der Zeit gelöst. Die aus Lautsprechern zu hörenden Klänge verweisen jedoch überdeutlich auf ihre Genese, die der Bewegung von Glas bedurfte. Darüber hinaus besteht ein Gegensatz zwischen der riesigen Menge aufgehäuften Glases, dessen Transport gewaltigen Lärm gemacht haben dürfte, und den kleinen, musikalisch genau geformten Glasklängen, die aus den Lautsprechern dringen.

Dieses Motiv von architektonischer Statik bei gleichzeitiger musikalischer Bewegung findet sich in vielen Installationen von Hans Peter Kuhn. Gleichgültig, ob die Lautsprecher, zwischen denen die Klänge hin und her springen, skulptural inszeniert oder im Ausstellungsraum verborgen wurden: der visuelle Anteil von Kuhns Klanginstallationen bleibt in der Regel unbewegt. Sonderfälle sind Arbeiten mit Projektionen, entweder des unscharf wechselnden Lichts nicht direkt einsehbarer Fernsehgeräte (Tagesschau, 1995) oder monochromer Farben von Diaprojektoren, deren verstärktes Geräusch in Projizierte Musik (1997) einbezogen wurde [stimmt das überhaupt?]. Diese Installationen bilden eine visuelle Parallele zur oben erläuterten Gegenüberstellung von Macro- und Microstruktur in Klangstücken mit langen Pausen. Die architektonische Anlage bleibt gleich, nur ein interner Parameter, das Licht, ändert sich – kaum merklich und kontinuierlich oder deutlich und in klaren Schnitten.

Der Besucher von Hans Peter Kuhns Klanginstallationen sieht sich so mit einer Vielzahl von Zeitebenen konfrontiert, deren Wahrnehmung von ihrem komplexen Wechselverhältnis bestimmt wird. Gerade dort, wo anders als im traditionellen Bühnen- oder Musikstück scheinbar keine feste Zeit etabliert wird – Anfang, Ende und Wiederholbarkeit sind in der Klanginstallation nicht gegeben – wird diese zum Thema intermedialer Erfahrung. Ähnlich ergeht es einem mit dem akustischen Raumeindruck. Kuhn verweigert sich mit der Distanzierung vom narrativen Klangkörper auch der Erzeugung künstlicher Räume durch Stereofonie, Mehrkanal- oder Surround-Technik. Die Lautsprecher seiner Installationen markieren Orte im Raum, von denen einzelne Klänge ausgehen. Zwischen zwei Lautsprechern liegende "Phantomschallquellen" wiedersprächen dieser Konzeption. Gerade weil Hans Peter Kuhn keine künstlichen Hörräume etabliert, ist der Raumaspekt seinen Klangarbeiten wesentlich. Er ist einerseits bedeutender Teil der musikalischen Anlage, andererseits Verbindungsglied zwischen akustischer und visueller Rezeption. Zu sehen, was man nicht hört, und zu hören, was man nicht sieht, ist bestimmendes Merkmal dieser Kunst zwischen musique concrète und intermedialer Erfahrung.

Volker Straebel

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leicht verändert in: Hans Peter Kuhn – Licht und Klang [=Ausstellungskatalog Stadtgalerie Saarbrücken], hrsg.v. Bernd Schulz. Kehrer-Verlag, Heidelberg 2000
© Volker Straebel kein Abdruck ohne schriftliche Genehmigung des Autors / no reprint without author's written permission



Anmerkungen

(1) Deutsches Museum, Abhandlungen und Berichte 4 (1932), H. 6, S.12

(2) "Denn dies Bedenkliche, Phaidros, haftet doch an der Schrift, und darin gleicht sie in Wahrheit der Malerei. Auch deren Werke stehen doch da wie lebendige, wenn du sie aber etwas fragst, so schweigen sie stolz. Ebenso auch die geschriebenen Reden. Du könntest glauben, sie sprächen, als ob sie etwas verstünden, wenn du sie aber fragst, um das Gesagte zu begreifen, so zeigen sie immer nur ein und dasselbe an." (Platon: Phaidros, 275A, übertragen von Kurt Hildebrandt, Stuttgart 1957)

(3) vgl. etwa Ursula Haver: Musikübertragung, Musikausübung und Komposition funkeigener Werke, Würzburg 1942

(4) Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Gesammelte Schriften, Bd. 1, hrsg.v. Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt (Main) 1974, S. 478

(5) Pierre Schaeffer: Musique concrète [La Musique concrète, Paris 1967 und 1973], übertragen von Josef Häusler, Stuttgart 1974, S. 30

(6) ibd. S. 35-37

(7) Nancy Jean Vanderveer: Ecological Acoustics. Human perception of environmental sounds. PhD Cornell University 1979