Dreizehnzähnig

Sven-Åke Johanssons Die Harke und der Spaten im Podewil

Das Ländliche scheint es dem schon seit etlichen Jahren in Berlin lebenden Perkussionisten und Performance-Künstler Sven-Åke Johansson in jüngster Zeit besonders angetan zu haben. Dirigierte er noch vor wenigen Wochen bei Leipzig ein Konzert für Traktoren unter freiem Himmel, so hat er sich mit dem szenisch dürftigen musikalischen Bühnenspiel Die Harke und der Spaten im Podewil wieder dem Saal und handlicherem Gerät zugewandt. Diesmal dienen die beiden Protagonisten allerdings nicht der Klangerzeugung, obwohl die Etymologie des Wortes Harke dieses nahelegen würde - verweist sie doch auf das scharrende Geräusch, das mit dem Harken einhergeht.

Stumm also stehen Harke und Spaten im Bühnenvordergrund, im Laufe des Spiels von Johansson auf acht verschiedene Weisen aneinandergelehnt. Um so beredter der Performer selbst, aus dem in Huelsenbeckscher Manier die rastlosen, wortwitzgewaltigen Betrachtungen zu Entstehung, Wesen und Sein des Gartengeräts nur so hervorsprudeln. Sein rhythmisierter Vortrag benötigt vollen Körpereinsatz, wenn die improvisierten Nonsense-Wortgirlanden vom Sausen der Birkenblätter, von dreizehnzähnigem Blech und Kartoffelfeuer künden. Daß manche Assoziationskette kalauerhaft geriet (Stil und Stiel), störte das Publikum wenig; man war gekommen, sich unterhalten zu lassen, und kam auf seine Kosten.

Sechs erfahrene Improvisationsmusiker standen Johansson zur Seite und füllten das wiederkehrende Formmodell von Solo- oder Ensemblespiel, Textvortrag, Tutti und neuer Anordnung der Gartengeräte mit Leben. Solch stimmige, ausgewogene und grandios musizierte Gruppenimprovisation dürfte man nicht oft zu hören bekommen. Stets traf sie den Charakter der beschworenen Szene, etwa die Melancholie der "im Mondschein leuchtenden Spinnenwebskonstruktionen", die Sten Sandell zu hohen Sextakkorden am Piano verleitete und Axel Dörner (Trompete) sehr konzentriert die verhaltenen Cymbel-Klänge Raymond Strids mit geräuschhaft-dichtem Ansatz umspielen ließ. Neben Kontrabaß und Tuba vervollständigte Mats Gustafsson (Saxophone) das Ensemble. Sein zwischen Stimmlauten, Windgeräuschen und perkussiven Tönen changierendes Solo verwies auf Sprache wie Johanssons dadaistischer Vortrag auf musikalische Struktur. In solchen Zusammenhängen liegt der eigentliche Wert des Stückes, fern vom szenischen Beiwerk, das uns am Ende noch darüber aufklärte, wo die kleinen Friedhofsschaufeln herkommen.

Volker Straebel 10.96

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leicht verändert unter dem Titel "Dreizehnzähnig" in: Der Tagesspiegel (Berlin), 26.Okt. 1996
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