Jackson Pollock (Filmmusik)
Nature Pieces (Piano)
Variations (Piano)
Intermissions (Piano)
Problem der Erstveröffentlichung
Extensions
Intersection (Tonband)



Morton Feldman, Ersteinspielung unveröffentlichter Werke

CD Booklet für mode records 66

"Sie kamen, um mich vorspielen zu lassen, nachdem Lee [Krasner Pollock] mich, einen unbekannten Komponisten, aufgespürt hatte. John Cage war da, und ich komponierte für den Film, wie ich es für eine Choreographie getan hätte. Es war der Beginn meines Lebens, wirklich; ich hatte noch keinen Einstand gehabt, und nun sprachen die Leute über mich."(1)

Für den 25jährigen Morton Feldman bot 1951 der Auftrag, für den Künstlerfilm "Jackson Pollock" von Hans Namuth und Paul Falkenberg die Musik zu komponieren, tatsächlich eine willkommene Möglichkeit, sich in die Kunstwelt New Yorks einzuführen. Zwar hatte der Student Stefan Wolpes, der 1949 mit John Cage Freundschaft geschlossen hatte, bereits zuvor die Entwicklung des Abstrakten Expressionismus aufmerksam verfolgt, doch waren bis dahin nur wenige seiner Kompositionen zur Aufführung gelangt. In New York hatte 1950 der Pianisten-Freund David Tudor das von 1948 datierende Jugendwerk "Illusions" uraufgeführt (erhältlich als mode records 54), im Februar 1951 folgten die "4 Songs to E.E. Cummings". Feldman war in der Tat ein unbekannter Komponist.

Aber auch Hans Namuth sollte erst in diesem Jahr zu größerer Bekanntheit gelangen. Der Photograph und Filmemacher hatte 1933 als 17jähriger Deutschland aus politischen Gründen verlassen und war nach Stationen in Paris und im Spanischen Bürgerkrieg in die USA emigriert. Sein Lehrer an der New School for Social Research, Alexey Brodovitch, bestärkte ihn in seinem Interesse an Jackson Pollock, und im Juli 1950 kam es zur ersten Begegnung von Maler und Photograph. Der zurückhaltende Pollock faßte ungewöhnlich rasch Vertrauen, und schließlich kam Namuth den ganzen Sommer über jedes Wochenende von Water Mill nach Springs, East Hampton herüber, wo Pollock in einer Scheune sein Atelier eingerichtet hatte. Die körperliche Bewegung, mit der Pollock die Farbe auf die am Boden ausgebreiteten Leinwände strich, tropfte und goß, ließ bei Namuth bald den Wunsch nach einer filmischen Umsetzung aufkommen. Mit einem ersten Testfilm in schwarz/weiß konnte er den etablierten Cutter Paul Falkenberg für das Projekt gewinnen, und im September begann man mit den Aufnahmen in Farbe. Das knappe Budget von 2.000 $, das die Künstler selbst aufbrachten, gestattete nicht den Einsatz von Lampen, weswegen der Film Pollock im Freien zeigt.(2)

Für den zehnminütigen Film mischte Falkenberg zunächst einen Soundtrack aus Aufnahmen indonesischer Gamelan-Musik. Pollock erklärte jedoch nach der ersten privaten Vorführung: "Aber Paul, das ist exotische Musik. Ich bin ein amerikanischer Maler!"(3) So wandte man sich auf Vorschlag von Pollocks Frau Lee Krasner an den jungen Feldman mit der Bitte um eine Filmmusik. Dieser schlug ein Solo-Cello als Besetzung vor und Falkenberg erbat zwei Stimmen, die dann vermutlich im Mai 1951 von Daniel Stern im Multitrack-Verfahren eingespielt wurden. (Der Tonmeister war Peter Bartok).

Am Beginn des Films schreibt Pollock formatfüllend seine Signatur. Feldman unterlegt dies mit einem Orgelpunkt aus einer großen Septim, über dem ein künstliches Flageolett im Intervall einer großen Terz auf und ab glissandiert. So wird der Zuschauer in einer nur wenige Sekunden dauernden Exposition schlaglichthaft mit dem visuellen und akustischen Material der folgenden zehn Minuten bekannt gemacht. Ihn erwarten Bilder vom Prozeß des Malens und eine Musik, die von diesen charakteristischen Intervallen und der Spannung zwischen Orgelpunkt und Bewegung bestimmt wird.

Nach dem Titel sieht man Pollock eine auf dem Boden liegende Leinwand gestalten. Aus dem Off erklingt seine Stimme, die ein kurzes, von Namuth und Falkenberg aus den wenigen von ihm veröffentlichten Texten zusammengefügtes Statement liest(4):

My home is in Springs, East Hampton, Long Island. I was born in Cody, Wyoming, thirty-nine years ago. In New York I spent two years at the Art Students League with Tom Benton. He was a strong personality to react against. This was in 1929.

I don't work from drawings or color sketches. My painting is direct. I usually paint on the floor. I enjoy working on large canvas. I feel more at home, more at ease in a big area. Having a canvas on the floor, I feel nearer, more a part of a painting. This way I can walk around it, work from all sides and be in the painting, similar to the Indian sand painters in the West. Sometimes I use a brush, but often prefer using a stick. Sometimes I pour the paint straight out of the can. I like to use a dripping, fluid paint. I also use sand, broken glass, pebbles, string, nails or other foreign matter. The method of painting is the natural growth out of a need. I want to express my feelings rather than illustrate them. Technique is just a means of arriving at a statement.

When I am painting I have a general notion as to what I am about. I can control the flow of the paint; there is no accident, just as there is no beginning and no end.

Sometimes I lose a painting. But I have no fear of changes, of destroying the image, because a painting has a life of its own. I kind of let it live.

This is the first time I am using glass as a medium.

I lost contact with my first painting on glass, and I started another one.

Dann setzt die Musik ein, eine aufsteigende große Septime, ein in hoher Lage ausgehaltener Ton, den zwei Pizzicati mit der Unterseptim aufrauhen, unmittelbar wiederholte, weit gespreizte dissonante Intervalle - für Feldmans Werk der fünfziger Jahre charakteristische Modelle, die hier jedoch in ungewöhnlich raschem Tempo aufeinander folgen. An der Kamera zieht das langgestreckten Bild "Summertime" vorbei, dann sieht man Pollock das Gemälde in der Betty Parson Gallery an die Wand hängen. Mit dem Wiedereinsetzen des Terzglissandos weitet sich der Blick in die Galerieräume, in denen Pollocks Frau als Besucherin umhergeht.

Namuth hatte den Wunsch gehabt, Pollock durch ein wachsendes Gemälde hindurch zu filmen. So bockten sie eine Glasplatte auf, unter die sich Namuth mit der Kamera legte und auf die Pollock von oben malte, wobei er neben Farbe auch Bruchstücke eines Metallgewebes, Glasperlen, Muscheln und Bindfaden verwandte. Mit dem neuen Medium auf der Leinwand - Pollock erklärt kurz, daß es sich um sein erstes Gemälde auf Glas handele - setzt auch eine neue Figur in der Musik ein, das rasche Pendeln zwischen kleiner Sekunde und großer None im Pizzikato in sehr hoher Lage. Wie in einem Rondo erscheint es viermal, ehe mit einem zweiten Glasbild wieder Flageolett-Liegeklänge erscheinen. Zum Schluß hin verdichten sich schließlich dissonante Pizzikato-Akkorde, die erst im Abspann ein sicheres Metrum etablieren.

Der Film war bei seiner Uraufführung im Museum of Modern Art am 14. Juni 1951 kein großer Erfolg, und die Pollocks hatten selbst ein gespaltenes Verhältnis dazu, den intimen Schaffensprozeß des Malers öffentlich gemacht zu haben. Von der Musik Feldmans meinte Pollock jedoch, "it might be great".(5) Ihren Siegeszug als einzigartige Dokumente, die Pollocks Arbeitsweise durchaus nicht bloßstellen, sondern mit künstlerischer Sensibilität beschreiben, sollten der Film "Jackson Pollock" und die Photos von Hans Namuth erst nach dem Tod ihres Protagonisten 1956 antreten.

Anmerkungen     Inhalt

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Wie die Filmmusik für "Jackson Pollock" verbinden auch die "Nature Pieces" für Klavier Elemente aus dem Jugendwerk Feldmans mit solchen, die die Musiksprache des reifen Komponisten prägen. Die bislang unveröffentlichte Partitur trägt die Datierung 1951 und kam am 18. Januar 1952 als Begleitmusik zu Jean Erdmans Choreographie "Changing Woman" durch David Tudor im Hunter College, New York zur Uraufführung. Der Programmzettel verzeichnet ein dreiteiliges Solo: I. Forest voice, Wind voice, Brook voice, Earth voice (Wald-Stimme, Wind-Stimme, Bach-Stimme, Erd-Stimme), II. Sea voice, Desert voice (See-Stimme, Wüsten-Stimme), III. Moon voice (Mond-Stimme). Die Aufteilung dieser Abschnitte auf die fünf mit römischen Ziffern überschriebenen Klavierstücke bleibt dabei unklar. Einzig das dritte Stück legt eine dreiteilige Gliederung nah, während die anderen in jeweils einem Charakter verharren.

Die weitintervalligen leisen Arpeggien in Nr.1 verwenden einen eingeschränkten Tonvorrat, aus dem einzelne in verschiedenen Lagen wiederholt auftretende Zentraltöne herausgeschält werden. Immer wieder, und besonders deutlich am Ende, etabliert Feldman ein- bis zweitönige Modelle, die er, durch lange Generalpausen getrennt, in rhythmischen Verschiebungen wiederholt. Dieses Verfahren kommt auch in Nr.3 zur Anwendung, dort allerdings auch mit bis zu fünftönigen Modellen. Die Liegeton-Passage des Mittelteils greift die ruhige akkordische Struktur von Nr.2 auf, ebenfalls mit großer Septime und kleiner None als charakteristischem Rahmenintervall. Außerdem verlassen beide Stücke die dynamische Einförmigkeit von Nr.1, die in dem Parallelstück Nr.4 mit seinen einfachen Tonleiterausschnitten wieder erscheint. Einfache Pendelmodelle werden hier bis zu viermal wiederholt - ebenfalls ein für den ausgereiften Feldman typisches Verfahren. Nr.5 hingegen erinnert mit seinen Webernesk springenden Akkorden an die "Illusions" von 1948. Sein Gesamtumfang beträgt wieder eine große Septime, hier um drei Oktaven gespreizt, wobei dieses Rahmenintervall durch häufiges Auftreten der Außentöne stets präsent ist. Die Wiederholung des gesamten Stückes stiftet schließlich auch formale Geschlossenheit.

Anmerkungen     Inhalt

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Ebenfalls für ein Tanzsolo, diesmal von Merce Cunningham, komponierte Feldman 1951 die "Variations". In diesem Klavierstück findet sich der für die frühen fünfziger Jahre so typische Stil Feldmans erstmals voll ausgeprägt: die Dynamik soll "so leise wie möglich" gehalten sein, mitunter extrem lange Generalpausen geben den knappen Einzelereignissen Raum nachzuklingen, und das musikalische Material ist auf wenige Aggregate mit charakteristischer zart dissonanter Intervallik beschränkt. Diese Aggregate erscheinen in verschiedenen Kombinationen, in verschiedenen rhythmischen Modellen, die oftmals wiederholt werden. So scheint die Zeit stehenzubleiben. An die Stelle von Entwicklungen setzt Feldman wechselnde Zustände. Und die weiten Pausen lassen jedes Gefühl für ein festes Metrum verschwimmen, das Einsetzen der Klänge wird selbst bei rhythmisch präzisen Wiederholungen (wie dem sechsmaligen Erklingen eines viertönigen Akkordes etwa in der Mitte des Stückes) unvorhersehbar.

Feldman stellte die Partitur am 24. März 1951 fertig, rechtzeitig für das Gastspiel von Merce Cunningham und John Cage an der University of Washington, Seattle. Dort brachten die beiden Widmungsträger am 12. April Tanz (unter dem Titel "Variation" [sic]) und Musik zur Uraufführung. Daß es nur zu einigen wenigen Wiederholungen dieses Stückes kam, lag an der enormen, eigentlich unausführbaren Komplexität der mittels Zufallsoperationen erstellten Choreographie. Cunningham äußerte sich dazu: "Es handelte sich um klassische Ballettschritte, angeordnet in einer zufälligen Folge, und es war unmöglich, ich jedenfalls konnte es nicht schaffen. Man mußte zum Beispiel ohne Vorbereitung vier Pirouetten drehen, plötzlich... Als ich einmal im Studio arbeitete, fand ich eine Möglichkeit, es zu schaffen, aber ich konnte es niemals wiederholen, ich konnte sie einfach nicht halten."(6) So verschwand diese Partitur im Archiv der Merce Cunningham Dance Company und wurde wahrscheinlich, wie auch die "Nature Pieces", in den vergangenen vierzig Jahren nicht mehr aufgeführt.

Anmerkungen     Inhalt

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Ein ähnliches Schicksal widerfuhr zwei kurzen Stücken aus dem Klavierzyklus "Intermissions", der zwischen 1950 und 1953 entstand. Als Morton Feldman 1962 bei dem New Yorker Musikverlag C.F. Peters unter Vertrag kam, publizierte er die Nummern 1 und 2 als "Two Intermissions" (1950), sowie "Intermission 5" (1952) und im Folgejahr "Intermission 6" (1953), nicht aber die Nummern 3 und 4. Diese fanden sich erst nach Feldmans Tod im Archiv David Tudors. Dabei waren die Nummern 1 bis 3 zusammen als "Three Intermissions" (Januar 1951 [sic]) am 5. Juli 1951 in einem Recital von Tudor an der University of Colorado, Boulder uraufgeführt worden, und am 10. Februar 1952 spielte Tudor im Living Theatre, New York "Three Intermissions (3, 4, and 5)", Nr. 4 und 5 als Uraufführung. Im Black Mountain College setzte er ebenfalls die Nummern 4 und 5 (12. August 1952), respektive 1 bis 3 (19. August 1952) aufs Programm.

Hier berühren wir ein Problem, das mich während der Vorbereitung dieser CD und der Edition der bislang unveröffentlichten Noten immer wieder beschäftigt hat: Bedeutet die Tatsache, daß Feldman in den sechziger Jahren einzelne Partituren nicht zum Druck gab, daß er sie als nicht gültig betrachtete, daß er sie zurückzog? Handelt es sich bei den "Nature Pieces", den "Variations", den "Intermissions 3&4" und dem Tonbandstück "Intersection" um Werke, die Feldman absichtsvoll aus seinem Werkkatalog strich und nicht mehr aufgeführt wissen wollte? Ich habe in Hinblick auf die Instrumentalwerke keine entsprechende Äußerung Feldmans eruieren können. Man mag aus der Tatsache, daß er keine besondere Mühe darauf verwandte, diese Werke zu veröffentlichen, durchaus schließen, daß er sie für weniger bedeutsam hielt. Und im Falle der "Intermissions", bei denen das Fehlen der Nummern 3 und 4 den Zyklus unvollständig läßt, ist man geneigt zu glauben, Feldman hielt die unveröffentlichten Stücke für die schwächsten des Zyklus. Doch es existiert kein Schreiben an seinen Verleger, in dem Feldman ausdrücklich die Veröffentlichung dieser Nummern ablehnt. So ist meine Entscheidung, diese der Wissenschaft bereits bekannten Werke einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, getragen von der Überzeugung, daß es wichtiger ist, dieser wunderbaren Musik ihr Leben zurückzugeben, als der nur möglicherweise gewandelten Einstellung des Komponisten zu seinem zur Entstehungszeit mehrfach aufgeführten Werk Rechnung zu tragen.

"Intermission 3" nimmt auf die bereits bekannten Nummern 1 und 2 Bezug, notiert jedoch als einziges Klavierstück Feldmans eine dritte Stimme stumm niedergedrückter Tasten, deren Saiten allein durch andere, ihnen verwandte Frequenzen zum Schwingen angeregt werden. Der amorphe Resonanzraum, der in Nr.5 durch das stete Niederhalten des Sustain-Pedals erzeugt wird, ist hier gewissermaßen auskomponiert in zumeist akkordischen Halteklängen. Die wie üblich angeschlagenen Saiten erzeugen die typischen großen Septimen und kleinen Terzen, doch bleiben die Einzelereignisse deutlich voneinander isoliert. Zusammenhänge stellen sich weniger eindeutig her als in Nr. 1 und 2, wo Motive wiederholt werden, oder mit höherer Dichte gestische Verläufe entstehen.

In "Intermission 4" gibt es nur eine wörtliche Wiederholung (eine kleine None, die allerdings zuvor in anderer Lage und außerdem in der Umkehrung erklungen ist), doch erscheint der Zentralton g# zwei Oktaven über dem mittleren c viermal und dreimal in anderer Lage. So erreicht Feldman auch ohne lang andauernde Pendelmodelle, wie sie Nr.5 auszeichnen, klanglichen Zusammenhang. Die Partitur von Nr.6 schließlich besteht aus 15 frei über das Blatt verteilten Aggregaten aus jeweils einem Anschlag (Ton, Intervall, Akkord). Der Pianist - es können auch zwei Musiker an zwei Klavieren gleichzeitig spielen - entscheidet frei, wo er beginnt und in welcher Reihenfolge oder mit welchen Wiederholungen er fortfährt. Feldman schuf hier bereits 1953 eines der ersten Beispiele der "Offenen Form", das dem Musiker zwar ein bestimmtes Tonmaterial vorgibt, dessen strukturelle Gestaltung aber nicht mehr genau fixiert. Der Vergleich zu Jackson Pollock Drip-Paintings drängt sich auf, die zwar den ganz anderen Gesetzen der Malerei gehorchen, wegen der Art ihrer Entstehung aber eigentlich ebenfalls keine bestimmte Leserichtung vorschreiben und die Ausgangsmaterialien gleichberechtigt nebeneinander bestehen lassen.

Anmerkungen     Inhalt

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Im Vergleich zu den "Intermissions" und verwandten Stücken in anderer Besetzung wie dem "Piece for Violin and Piano" (1950) zeichnet sich der Zyklus "Extensions" durch eine deutlich höhere Dichte und die Integration des Fortissimos aus. "Extensions 1" für Violine und Klavier (1951) kam wie "Extensions 3" für Klavier (1952) erst 1952 zur Uraufführung, und zwar nachdem die "Intermissions" bis zur Nr.5 gediehen waren. Die größere Aktivität, die sich bereits in "Intermission 2" angekündigt hatte, manifestiert sich in der Überlappung bislang nacheinander ablaufender Modelle, besonders in "Extensions 4" für drei Klaviere (1953). Außerdem stechen einzelne Klänge "so laut wie möglich" aus dem gewohnt leisen Umfeld heraus.

Die Nummern 2 (unbekannte Besetzung) und 5 (für zwei Celli) müssen derzeit als verschollen gelten.(7) Von Nr.3 präsentieren wir hier eine von der veröffentlichten Partitur leicht abweichende Fassung aus dem Archiv David Tudors, in der u.a. die berühmte sechzehnmalige Wiederholung von f# im dreifachen Oktavabstand fehlt.

Anmerkungen     Inhalt

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Daß Morton Feldman schließlich ein Stück Elektroakustischer Musik geschrieben hat, mag verwundern, hält man sich seine späteren abfälligen Äußerungen über dieses Medium vor Augen.(8) Doch leistete er mit "Intersection" für Tonband (1953/54) einen Beitrag zu dem 1952 von Cage initiierten "Project for Magnetic Tape", aus dem auch Christian Wolffs "For Magnetic Tape" (1952), Cages "Williams Mix" (1952/53) und Earle Browns "Octett I" (1953) hervorgingen. In Anlehnung an den "Williams Mix" legt Feldmans Partitur nicht die Art der Klangereignisse, sondern nur deren Anzahl innerhalb bestimmter Band- (also Zeit-)Längen und ihre Verteilung auf die acht rund um das Publikum aufgestellten Lautsprecher fest. In der Umsetzung durch Cage und Brown entstand ein intern extrem kleingliedrig strukturiertes und von Generalpausen gegliedertes Geräuschband, dessen Anlage mit der der "Intersections" Nr.2 und 3 für Klavier (1951, 1953) vergleichbar sein mag. Auch dort sind keine konkreten Tonhöhen komponiert, sondern Feldman notierte in einem Kästchensystem einzig die Anzahl der Töne, die in einem bestimmten Zeitraum in einem bestimmten Register erklingen soll. Auch dort bleibt die Detailebene amorph, und das Tonbandstück erscheint vor dem Hintergrund dieser Werkgruppe weniger fremd. Dennoch kehrte Morton Feldman nie wieder zur Elektronischen Musik zurück.

Volker Straebel

Meine Forschung wurde dankenswerterweise ermöglicht durch ein Stipendium des Deutschen Evangelischen Studienwerks e.V.

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leicht verändert als CD-Booklet in: Morton Feldman, First Recordings 1950s, Philipp Vandré and The Turfan Ensemble, mode records 66, New York 1999
© Volker Straebel kein Abdruck ohne schriftliche Genehmigung des Autors / no reprint without author's written permission



Anmerkungen:

  1. Interviewstatement von Morton Feldman, in To a violent grave. An oral biography of Jackson Pollock [compiled] by Jeffrey Potter, New York 1985, S. 139
  2. Hans Namuth: Photographing Pollock, in Pollock Painting. Photographs by Hans Namuth. Edited by Barbara Rose, New York [1980], unpaginiert
  3. zit. n. Paul Falkenberg: Notes on the Genesis of an Art Film, in Pollock Painting a.a.O.
  4. Steven Naifeh and Gregory White Smith: Jackson Pollock. An American Saga, New York 1989, S. 663
  5. ibd.
  6. zit. n. Merce Cunningham. Fifty Years. Chronicle and Commentary by David Vaughan, edited by Melissa Harris, New York 1997, S. 62
  7. Sebastian Claren schlägt vor, daß "Extensions 5" vielleicht identisch sein könnte mit der Filmmusik für "Jackson Pollock" (ders.: Neither. Die Musik von Morton Feldman, Diss. FU Berlin 1995, S. 640)
  8. Morton Feldman Essays, edited by Walter Zimmermann, Köln 1985, S. 177, S. 194