Pendelklänge

Manos Tsangaris in der Parochialkirche

Wer sich wie der Kölner Manos Tsangaris als Meister der poetischen Miniatur in Musikperformance und Klangkunst seinen Ruf erwarb, hat es nicht leicht, auch in der großen, notwendig lauteren Form zu überzeugen. Dem intimen Musiktheater winzig folgt jetzt "Großig" könnte man meinen, wenn man die jüngste Arbeit des Kagel-Schülers in der Parochialkirche (Hörgalerie Singuhr) betrachtet. Denn von dem Konzept Groß und Klein, das eine Vielzahl interaktiv zu spielender Klangobjekte vorsah, konnte nur die gewaltige Fadenorgel im Zentralraum der Kirche realisiert werden.

Dort hängen nun sieben Kästen in Form und Größe einer Autobatterie vom Gebälk, die über Seilzüge vom Besucher in Pendelbewegungen versetzt werden können. Ist die Auslenkung groß genug, schaltet sich für zwei bis vier Minuten eine weiße Signallampe ein und Musik ertönt aus dem Kasten - ein dreistimmiger Sopransatz des 148. Psalms. Behutsame elektronische Bearbeitung wie CD-Skipping und künstliches Glissando sowie zeitgenössische Gesangtechniken rücken in die ästhetische Gegenwart, was leicht im archaischen Topos sachten Engelsangs unterm Kirchendach erstarrt wäre. Jeder Kasten birgt einen anderen Ausschnitt des Lobgesangs, und so wandern wir im Kirchenschiff umher, ziehen an verschiedenen von der Decke hängenden Seilen und entdecken nach und nach das Stück, in der ersten Ungeduld noch mehrere Teile überlagernd, den hohen Raum mit pendelnden Lampen belebend.

Zur Eröffnung spielte Manos Tsangaris mit seiner Kölner Gruppe Ritim Grup In Ecclesiae, einem in langjähriger Improvisationsarbeit vertrautem Perkussionsquartett, dem Simon Stockhausen mit zurückhaltender Elektronik Spitzenlichter aufsetzte. Das ausgedehnte, sich einfacher, doch packender Mittel bedienende "Trommelritual" zeigte einmal mehr, daß Tsangaris sich nicht reduzieren läßt auf den klangsinnlichen Bastler. Er weiß auch zuzupacken.

Volker Straebel 7.98

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leicht verändert unter dem Titel "Grummelnde Avantgarde" in: Der Tagesspiegel (Berlin), 12.Juli 1998
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