Klänge im Speicher

Kryptonale mit Andreas Oldörps Klanginstallation eröffnet

Während die Festwochen in ihren Uraufführungen zumeist längst vergangenen Formen und Besetzungen huldigt, hält die Kryptonale nun bereits im dritten Jahr das Fähnlein der aktuellen Musik tapfer in den Wind. Keine Chorsymphonie erwartet den Besucher der beiden Wasserspeicher im Prenzlauer Berg, sondern Raumkompositionen und Performances, zwei Konzerte des Elektronischen Studios der TU Berlin und die speziell für das dunkle Gemäuer entworfene Klanginstallation Arbeit mit Lager von Andreas Oldörp.

Seit zehn Jahren widmet sich Oldörp seinen Singenden Flammen, technisch klar und präzis gefertigten Klangskulpturen, bei denen Gasflammen in mitunter gewaltig proportionierten Glasröhren statische, obertonarme Klänge hervorbringen. Die schlanken Metallkonstruktionen sind ganz auf ihre Funktion als Halterung der Glasröhren reduziert, verlängern diese optisch, deuten den Raum an, den der opake Glaszylinder beschreibt ohne ihn wirklich zu füllen. Daß Oldörps Skulpturen Licht und Klang scheinbar aus der gleichen Quelle, der Flamme, emittieren, rückt sie in die Nähe integrativer Kunstmodelle, zumal ihre Präsentation im feuchten Dunkel des Großen Wasserspeichers sie zu Instrumenten werden läßt, die den Raum als Klanginstallation bespielen. Ihre Anordnung auf hohen Podesten läßt zwar das sonst so charakteristische Gasrauschen vermissen, unterstützt aber diesen Eindruck und paßt Ihre Dimension der des Raumes an.

Mit den vier konzentrischen Bogengängen des Wasserspeichers korrespondieren in Arbeit mit Lager vier Singende Flammen, deren Töne in einer Oktave und zwei kleinen Sekunden geschichtet sind. Die Dissonanz der Primärklänge tritt jedoch zurück hinter den durch die absichtsvoll ungenaue Stimmung entstehenden Schwebungsmustern. Andreas Oldörp ist Bildender Künstler und kein Musiker, weshalb diese Interferenzen zwar kalkuliert, nicht aber wie in La Monte Youngs Eternal Dreamhouse (1969) genau komponiert sind. So bewahrt sich seine minimalistische Installation eine Farbigkeit, die dem spannungsvollen Raumeindruck des Wasserspeichers entgegenkommt.

Volker Straebel 9.97

up     home

leicht verändert unter dem Titel "Fähnlein im Wind" in: Der Tagesspiegel (Berlin), 15.Sept. 1997"
© Volker Straebel kein Abdruck ohne schriftliche Genehmigung des Autors / no reprint without author's written permission