Maschinen machen Musik

Klangperformance von Gordon Monahan

Einst haftete der Maschinenmusik Makel wie Faszination unmenschlicher Präzisen an. Heute, da die meiste Musik elektronisch fabriziert und über Lautsprecher verbreitet wird, wandelt sich der Blick. Musikmaschinen sind auf einmal als akustische Klangerzeuger den traditionellen Instrumenten erstaunlich nahe, und die metrische Starrheit ihres Spiels hat eher den antiquierten Charme von Orchestrion und Leierkasten, als daß sie zu schrecken vermochte.

Die Betonung des Skulpturalen ihrer Klangmaschinen hat für viele Klangkünstler die musikalische Organisation in den Hintergrund treten lassen. Eine rühmliche Ausnahme hiervon bildet der in Berlin ansässige Kanadier Gordon Monahan, dessen Multiple Machine Matrix im stillgelegten Stadtbad Oderberger Straße klar komponierten Prozessen folgte. Ein wirres Netz aus dünnen Stahlseilen am oberen Rand des nun leeren Bassins bot einer Vielzahl von MIDI-gesteuerten Perkussionsinstrumenten halt, die in ihrer symmetrischen Anordnung schöne Raumwirkungen ermöglichten. Auf Fingercymbeln, Tom-Toms, Schellentambourinen, Rasseln und Fundstücken spielte Monahan via Computer-Sequenzer eine polymetrische Struktur aus vielleicht zu griffigen, sich langsam entwickelnden Ostinati. Dabei bewies er ein feines Gespür für die Großform, setzte spannungsreiche Generalpausen oder klare Abschnittsgrenzen und widerstand selbstgefälliger Effekthascherei. Die reichlich bemühte Lichtregie entsprach dieser Zurückhaltung leider nicht, sondern folgte eifrig den Klängen durch den Raum, dessen hallige Akustik die Klangbewegungen verschleierte, das zahlreich erschienene und undisziplinierte Publikum aber ungünstig verstärkte. Die Aufführung im Dock 11 vor zwei Jahren wird so schon wegen der akustischen Bedingungen in besserer Erinnerung bleiben.

Dafür überraschte uns Monahan diesmal mit einem mannshohen Roboter, der sich polternd seinen Weg durch eine Wand aufgetürmter Kisten bahnte und live projizierte Videoaufnahmen seiner Umgebung machte. Ein kleiner szenischer Ausbruch aus dem musikalischen Geschehen, das in einem gewaltigen, minutenlangen Donnerblechscrescendo mit dichtem Obertonflirren seinen Abschluß fand. Hier endlich verloren die Maschinen in geradezu körperlicher Bedrohung ihre spielerische Belanglosigkeit - Rudimente archaischer Gewalt im technischen Zeitalter.

Volker Straebel 6.97

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leicht verändert unter dem Titel "Der Roboter" in: Der Tagesspiegel (Berlin), 30.Juni 1997
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