Lautsprecher als Instrument

Brandon LaBelle in der Audio Galerie Staalplaat

Bei dem Versuch, Klänge zu beschreiben, ordnet man ihnen zumeist Materialeigenschaften zu: sie sind rauh oder spitz, dicht oder hell. Selten aber wird diese Gegenständlichkeit der Klänge in der Musik selbst reflektiert, zumal in elektronischer Musik, deren Systeme zwar irgendein Ausgangsmaterial benötigen, dieses aber in komplexen Transformationsprozessen oftmals regelrecht verschwinden lassen. Der Amerikaner Brandon LaBelle entgeht in seinen experimentellen Performances nun dieser Gefahr, indem er kleine Lautsprecher wie Instrumente behandelt. Die schwingenden Membrane sind hier nicht das Ende einer Übertragungskette, sondern erscheinen als tönende Objekte, die ihrerseits mit Mikrophonen belauscht werden.

Die unbetitelte halbstündige Improvisation, die LaBelle in der Audio Galerie Staalplaat im Salon Schwarzenberg neben den Hackeschen Höfen zu Gehör brachte, bediente sich einfachster, auf dem Boden ausgebreiteter Technik. Zwei in Papier respektive Scheinwerferfolie gewickelte Kontaktmikrophone dienten einer sich in sparsamen Knackgeräuschen entwickelnder Introduktion, die unvermittelt zwischen den beiden Stereokanälen hin- und herpendelte. Danach spielte LaBelle von zwei Walkmen zeitlich versetzt die gleiche Aufnahme seiner ruhigen Atemgeräusche über kleine, in Kaffeebechern plazierte Lautsprecher ab. Dieses sachte, durch die Resonanzeigenschaften der Becher gleichsam gefilterte Rauschen wurde dann durch unter den Bechern plazierten Kontaktmikrophone verstärkt. Diesem Orgelpunkt stellte LaBelle eine zweite, live ausdifferenzierte Schicht entgegen: Auf gleiche Weise in eine blecherne Kaffeedose wiedergegebene Windgeräusche lauschte er mit zwei in das Gefäß gehaltenen Kontaktmikrophonen ab und interpretierte somit das stete Rauschen in einem akustischen, in Dynamik wie Klangfarbe variiertem Remix.

Daß die abschließende Improvisation auf einem elektrisch verstärkten Heizungsrohr für diesen Kontext zu perkussiv geriet, lag an technischen Problemen des Westküsten-Musikers mit europäischer Installation. Den Eindruck des erfrischenden Purismus, der ganz ohne die sonst die Live-Elektronik dominierende Sampling-Schleifen auskommt, vermag dies keinesfalls zu trüben. Eine leise und bedachte halbe Stunde avancierter Musik.

Volker Straebel 4.99

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leicht verändert unter dem Titel "Atem in Tassen" in: Der Tagesspiegel (Berlin), 27.April 1999
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